Gebrauchsanleitung für das Beten

Beten geht so:
Halte gleich früh Ausschau nach einer beschlagenen Fensterscheibe und schreib den Namen eines Menschen darauf, der dir am Herzen liegt oder den Namen eines Ortes oder eines ganzen Landes. Alles, was gerade dein Gebet braucht. Ein Spiegel geht auch oder ein Autofenster. Es kann auch ein fremdes sein.
Falls du heute an einer Kirche vorbeikommst, drück die Klinke herunter und wenn sie offen ist, geh hinein. In Kirchen kann man gut beten - wenn es still und groß ist um einen herum. Manchmal gibt es sogar Kerzen, die man anzünden darf. Das ist das Schönste: Das eigene Gebet leuchten sehen. Sehen wie es Licht verbreitet.
Beten geht so:
Wenn Dir heute etwas Schönes widerfährt oder etwas gelingt: Wenn Du einen guten Einfall hast oder ein Tor schießt oder den letzten Parkplatz bekommst oder dir das erste Mal eine Crème brûlée gelingt, dann sag „Danke“ und wirf eine Kusshand in den Himmel.
Überhaupt: Achte auf die Himmelstöne. Sie kommen von den Glockentürmen. Mittags und abends. In jeder Stadt und fast in jedem Dorf. Lass dich unterbrechen von ihnen. Hör einfach kurz auf, mit allem was du gerade tust. Nur einen Moment. Mit dem Essen. Mit dem Lesen. Mit dem Rotieren. Mit dem Weinen. Spüre: Da ist noch mehr. Da ist noch eine andere Welt. Sie ist da und sie klingt in dein Leben hinein.
Und wenn es dann Nacht geworden ist und du im Bett liegst und nicht schlafen kannst, weil der Tag so voll war und dir immer noch was einfällt, was Du erledigen musst, dann falte die Hände und sprich ein Gebet. Es muss nicht besonders schön sein oder gut formuliert. So was ist Gott egal. Sag einfach: Jetzt bist Du dran, lieber Gott. Hab acht auf diesen und jenen. Schenk mir morgen Kraft. Und lass mich jetzt gut schlafen. Danke schon mal im Voraus und Amen.