Was Besseres als einen Stall

© Michal Bar Haim on Unsplash

Hartmut ist ein bisschen poltrig. Viele Jahre hat er ein Landhotel geführt, zusammen mit seiner Frau. Sie haben es kurz nach der Wende eröffnet, obwohl damals viele gesagt haben: Das lohnt sich nicht hier auf dem Land. Die Unkenrufer haben sich geirrt. Es gab immer genug Gäste im Hotel. Sie kamen zum Wandern, zum Jagen, zum Ausspannen. Sie haben ihre Schulanfänge und 80. Geburtstage hier gefeiert, ganz groß in Familie, Kremserfahrt inklusive.
Im nächsten Jahr feiert Hartmut seinen 80. Geburtstag. Mittlerweile führt seine Tochter das Hotel. Aber Hartmut kommt fast jeden Abend her und setzt sich immer an die gleiche Stelle am Tresen. Er lässt sich ein kleines Bier zapfen, später noch eins. Er redet mit den Gästen. Einmal Wirt, immer Wirt.
Er ist ein bisschen poltrig. Er neigt dazu, seine Tochter herumzuschicken. Er denkt, dass er immer noch am besten weiß, was wann wie zu machen ist. Er mag keine Ärzte und hasst es, wenn sie ihm raten, sich auch mal auszuruhen.
In der Weihnachtsgeschichte kommen die Wirtsleute und Hotelbesitzer schlecht weg. Denn warum musste Maria Jesus in einem Stall zur Welt bringen? Weil niemand ein Zimmer hatte für die Hochschwangere. Vielleicht war wirklich alles voll. Vielleicht wirkten Maria und Joseph auch einfach zu abgerissen.
Hartmut neigt dazu, seine Tochter herumzuschicken und poltert gern. Aber er ist auch herzensgut. Wenn wir uns alle paar Monate mal treffen, schaut er mir aufmerksam ins Gesicht. Neulich hat er gesagt: Du siehst so blass aus, ist alles in Ordnung? Als seine Tochter nach einer schweren Entbindung entkräftet im Krankenhaus lag, weigerte er sich zuhause, mit dem Rest der Familie zu feiern. Erst muss es ihr wieder besser gehen, hat er damals gesagt.
Seit dem Sommer wohnt eine Familie aus der Ukraine im Hotel. Eine Mutter mit zwei Töchtern. Sag noch mal einer, dass Wirtsleute und Hotelbesitzer kein großes Herz haben. Und ich wette: Hätten Maria und Joseph vor vielen Jahren bei Hartmut vorm Tresen gestanden - er hätte sie nicht fortgeschickt. Er hätte ein Zimmer gefunden, irgendwo. Er hätte was ausgeräumt oder was freigemacht oder notfalls Martins Heinze angerufen oder Frau Schuffenhauer und gefragt, ob sie noch Platz haben. Er hätte was gefunden. Was Besseres als einen Stall.

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